Die Klassikklasse


Interview mit dem Maler Tischbein
18. Dezember 2009, 09:15
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M:“Goethe in der Campagna“ ist der Titel des bekanntesten Gemäldes von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der heute bei mir zu Gast ist.(Applaus) Das großformatige Bild im klassizistischen Stil zeigt den Dichter Johann Wolfgang von Goethe, den mein Gast auf dessen Italienreise 1786/87 porträtierte. Erzählen Sie mal: Wie ist es zu der Freundschaft zwischen Ihnen und Goethe gekommen?
T: Johann und ich haben gemeinsam in Rom gewohnt. Während er durch Italien reiste, bezog ich ein Stipendium, das mir dank Johann gewährt wurde. So entstand zunächst diese enge Freundschaft. Ich hielt ihn auch sehr oft in meinen Zeichnungen fest.
M: Und wie kam es zur Entstehung von „Goethe in der Campagna“?
T: Ich habe gemerkt, dass Lavater in allem Recht hatte, was er von Johann sagte. Ich fing sofort sein Porträt an und zwar in Lebensgröße.
M: Dann beschreiben Sie doch mal das Porträt.
T: Es zeigt Johann auf Gesteinsquadern ruhend. Sein Blick geht ernst und sinnend in die Ferne. Er trägt einen hellen mantelartigen Umhang, unter dem eine rote Jacke sichtbar wird, eine ockerfarbene Bunthose, hellblaue seidene Strümpfe und einen blaugrauen Schlapphut.
Die Darstellung der Figur weist einige anatomischer Mängel auf. Z.B. scheint Johann zwei linke Füße zu besitzen bzw. zwei linke Schuhe zu tragen.Damit möchte gesagt sein, dass wir zwischen rechten und linken Schuhen kein Unterschied machen.
M: Was ist im Hintergrund zu sehen?
T: Das efeuumrankte Fragment eines griechischen Marmorreliefs ist sichtbar, auf dem die Begegnung zwischen Iphigenie und ihrem Bruder Orest sowie Pylades auf Tauris dargestellt ist; rechts daneben befindet sich ein römisches Kompositkapitell. Links sieht man eine kleine Eiche, auf dem Boden vorn einige wenige Pflanzen. Es ist von mir nicht signiert worden, da ich es nicht vollenden konnte.
M: Abgesehen davon kommt mir die Stellung der Figur bekannt vor…
T: Ja Sie meinen sicher das Bild „Hirte mit Hund“ von Berchem. Ich habe es mir als Vorbild für dieses Gemälde genommen.
M: Was wollen Sie uns mit diesem Gemälde sagen bzw welche Nachricht schicken sie an uns?
T: Naja es stellt keine konkrete Situation aus Johanns Leben dar, mein Anliegen war vielmehr, mit dem Bild eine allgemeingültige Aussage zu treffen. Ich wollte ihn darstellen, wie er über das „Schicksal der menschlichen Werke nachdenkt“, dh der schauervolle Gedanke der Vergänglichkeit soll auf seinem Gesicht schweben.
M: Soll der Hintergrund uns auch etwas sagen?
T: Epochen sind von links nach rechts in der Reihenfolge ihres Auftretens aufgerufen: Der Obelisk repräsentiert das alte Ägypten, Griechenland ist durch das Relief versinnbildlicht und das römische Kapitell markiert den Abschluss der antiken Kunstentwicklung.
Außerdem wollte ich Johann nicht nur als einen Dichter darstellen sondern auch als ein Universalgelehrter.Seine Monumentalität wird durch die Überlebensgröße unterstrichen. Der große Hut gleicht einem Heiligenschein; die um den Hut herum aufbrechenden Wolken verstärken diese Wirkung und verklären ihn zur Lichtgestalt.
M: Ich glaube das ist Beweis genug, dass Johann Wolfgang von Goethe in ihrem Leben zu einem der wichtigen Menschen gehört. Danke für das Gespräch und dass Sie heute bei mir zu Gast waren. Meine Damen und Herren, Ladys and Gentlemen, Mesdames et messieurs: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein


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